Wenn Spitzenkarrieren plötzlich enden

Der Umgang mit Top-Führungskräften ist rauer geworden.

Hintergründe und typische Abläufe

In der Ausgabe 3/2022 thematisiert das manager magazin in einem ausführlicher Beitrag die harte Trennung sowie öffentliche Beschädigung von Top-Führungskräften durch ihren Arbeitgeber. Ein Report über die fatalen Folgen eines ungleichen Kampfes. Dankenswerter Weise hat das manager magazin diesem, bis dahin weitgehend tabuisierten, potentiellen Aspekt des Managerberufes Öffentlichkeit verschafft. Im folgenden Beitrag soll dieses Thema vertieft werden. Dazu besteht leider Anlass da Vorgänge dieser Art immer mehr zunehmen. Der Umgang mit Top-Führungskräften ist wesentlich rauer geworden.

C-Level-Manager sind besonders betroffen

Der Verlust des eigenen Arbeitsplatzes gehört grundsätzlich zum Risiko jedes Beschäftigten außerhalb des Öffentlichen Dienstes. Im quantitativ sehr kleinen Berufsfeld der Organmandate (Geschäftsführer und Vorstände) der privaten und der öffentlichen Unternehmen ist der Verlust von Dienstvertrags und Bestellung vor dem Erreichen des Renteneintrittsalters jedoch weit überdurchschnittlich anzutreffen. Zum „Berufsbild“ einer Führungskraft in Organfunktion gehört der Zeitvertrag, keine Sozialversicherungspflicht sowie die völlige Abhängigkeit vom jeweiligen Aufsichtsgremium der Gesellschaft. Die erheblichen beruflichen wie finanziellen Risiken einer Organbestellung sollen durch eine D&O – Versicherung sowie eine Abfindungsregelung im Anstellungsvertrag abgemildert werden.

C-Level Manager und solche, die es werden wollen, sollten daher über dieses spezifischen Risiko ihres Berufes informiert sein.

Reputation und Trennungskultur

Die Reputation, früher „der gute Ruf“, einer Top-Führungskraft ist das wichtigste Kapital über das ein Manager verfügt. Die eigene Reputation sorgsam zu pflegen, auszubauen und gegen Beschädigungen zu schützen ist essentiell für ein langfristig angelegtes Karrieremanagement. Das gilt sowohl für eine angestrebte Vertragsverlängerung, als auch für den Fall einer ungeplanten Neuorientierung am Markt. Eine vorsätzliche Beschädigung der Reputation bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Integrität und eine Beschädigung meist aber eine Zerstörung von Karriere und Berufsausübung überhaupt.   

In Trennungsvereinbarungen und deren Kommunikation von Organmitgliedern spielt deshalb die Sprachregelung über die Gründe eine wesentliche Rolle für die Zukunft des ehemaligen Managers.

 Aufsichtsräten/ Beiräten mit eigener Managervergangenheit ist dieser Aspekt wohlvertraut. Sie achten deswegen bei Trennungen von Angestellten und von Organmitgliedern auf diesen Punkt. Es gilt – so wie ich selbst behandelt werden will, so behandele ich auch die Menschen die für mich arbeiten -. Legitime Ausnahmen kann es nur in Fällen von offenkundiger Korruption geben. Zu einer professionellen Trennungskultur gehört es, ehemalige Mitarbeiter nicht zu dämonisieren und die Trennung möglichst geräuschlos zu gestalten. Daran haben im professionell geführten Unternehmen beide Seite ein Interesse.

Top-Management Trennungen sind kulturprägend

Unternehmen und Aufsichtsgremien, die sich nicht an diese ungeschriebenen Regeln halten, beschädigen nicht nur den ehemaligen Manager, sondern auch ihre eigene Reputation als Arbeitgeber. Schlimmstenfalls verbreitet sich im Managementteam schleichend Zynismus. Man weiß: auch mich kann es jederzeit treffen.

Die Trennungskultur auf Top-Ebene bzw. der Top-Ebene gegenüber prägt die Kultur von Unternehmen nicht unwesentlich. Professionelle Aufsichtsgremien wissen das. Verantwortlich für Einstellung und Trennung ist in aller Regel der oder die Vorsitzende des Gremiums. Seine Haltung, Werte und Qualität ist der Anker für die kulturelle Position des gesamten Unternehmens

Trennungsgründe – warum Top-Manager ihren Job verlieren

Warum verlieren Top-Führungskräfte ihren Job bzw. werden vor Vertragsende abgelöst? Fälle von offenkundigen geschäftlichen Misserfolgen, Korruption oder sonstigen schwerem und vertragswidrigem Fehlverhalten sollen hier nicht besprochen werden. 

Gründe warum das Kontrollgremium, meist der Vorsitzende, das „Vertrauen“ zu einem Geschäftsführer verliert, lassen sich in wenige Fallgruppen einordnen.

Bei Trennung nach kurzer Laufzeit, meist unter 2 Jahren, ist es üblicherweise der mangelnde kulturelle Fit. Der Manager kommt aus einer sehr anderen Unternehmens- und Führungskultur. Das Delta ist so groß, dass es im neuen Unternehmen dysfunktional wirkt und die Organisation sich gegen den oder die Neue wehrt. Das eigentliche Problem liegt in diesen Fällen meist bei der Vertragsanbahnung. Beide Seite haben nicht genau genug hingeschaut und intensiv genug nachgedacht.

Anders hingegen sind Trennungen nach langer Dienstzeit zu bewerten. Insbesondere wenn Führungskräfte 10 Jahre und mehr für ein Unternehmen erfolgreich tätig waren. Gründe für späte Trennungen von Organmitgliedern sind häufig die Bestellung eines neuen Vorsitzenden und damit verbunden ein Strategiewechsel, Machtkämpfe auf der Top-Ebene oder im Aufsichtsgremium selbst sowie das Stellvertreterkriege. Dabei ist das Ziel eigentlich der Vorsitzende der Geschäftsleitung, der aber (noch) zu mächtig ist um direkt attackiert zu werden.

Die unehrenhafte Trennung

Erfolgt die Trennung eines C-Level-Managers aus einem der genannten Gründe vertragsgemäß, d.h. Reputationswahrend und mit der vertraglich vereinbarten Abfindung ist der Prozess nicht zu beanstanden.

Völlig anders verhält es sich, wenn sich der Aufsichtsgremium, meist auf Drängen des Vorsitzenden, stattdessen entschließt die Trennung unter Vollzug einer fristlosen Kündigung durchzuführen oder den Betroffenen unter Androhung einer fristlosen Kündigung zum Rücktritt zu drängen. Der Betroffene soll seine vertraglich zugesicherte Abfindung nicht erhalten. Um Belegschaft und Öffentlichkeit Gründe zu liefern, werden  haarsträubende Beschuldigungen präsentiert. Reputationsvernichtung und langjährige Gerichtsverfahren dabei bewusst provoziert.

Die eigentlichen Gründe für eine derartige Eskalation liegen äußerst selten in der tatsächlichen Schwere der vorgeworfenen Pflichtverstöße, die nicht selten sogar konstruiert werden. Der betreffende Manger ist entweder in Ungnade gefallen oder er ist das Opfer von Machtkämpfen. Entschließt sich der Vorsitzende zu einer offenen Konfrontation statt zu einer geräuschlosen Trennung hat das im wesentlichen mit seiner Haltung und seiner Position im Gremium  zu tun. Er ist entweder selbst geschwächt und kämpft um seine eigene Verlängerung. Vielleicht fehlt es ihm schlicht an Kompetenz eine Trennung professionell zu steuern. Nicht selten spielt eine ausgeprägt narzisstische Persönlichkeit die entscheidende Rolle. Außerdem gibt es noch ganz profane Gründe: Neid und Missgunst. Nichts erbittert machtversessene Inkompetenz so sehr, wie außergewöhnliche Leistungen. 

Es geht im Kern nicht mehr um das Geschäft oder das Unternehmen. Es geht in diesen Fällen um die Demonstration von Macht nach innen. 

Der Trennungsprozess - ein Drama in mehreren Akten

Der erste Schritt zur unfreundlichen Entfernung eines C-Level-Managers ist üblicherweise die Beauftragung einer internen Ermittlung, durchgeführt durch externe Anwälte. Ziel dieser Ermittlungen ist es, frühere Entscheidungen des Betroffen zu finden, die als Untreuetatbestand gelabelt werden können. Ob es sich tatsächlich um Untreue oder gar schwere Untreue handelt, spielt zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens keine wirkliche Rolle. Ein gut behaupteter Verdacht reicht, um das gesamte Gremium gegen den Manager einzustimmen. Üblicherweise bestehen diese Verdachtsbehauptungen aus den Aussagen von befragten Mitarbeitern die ahnen, was von ihnen erwartet wird sowie dem gezielten Verschweigen von „entlastenden“ Fakten.  Legt der Vorsitzende dem Kontrollgremium ein derartiges Gutachten vor, gibt es kein Zurück mehr. Die anderen Mitglieder des Gremiums werden auch dem verdientesten langjährigen Mitarbeiter die Unterstützung entziehen. Der Betroffene ist ab sofort ein Ausgestoßener. Er oder Sie hat mit keinerlei Loyalität oder Vernunft mehr zu rechnen.

Um alle Brücken abzubrechen lanciert das Unternehmen im nächsten Schritt seine Behauptungen in die Medien. Oft greifen dann Staatsanwaltschaften diese, gesteuerten, öffentlichen Beschuldigungen auf, um Strafermittlungen gegen den Gekündigten aufzunehmen. Da das Unternehmen als Ermittlungshelfer für die StA tätig wird (das Unternehmen ist ja der angeblich Geschädigte) wissen die Unternehmen regelmäßig vor den Beschuldigten von dem eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Der Weg in die Medien ist dann schnell gefunden. So erfährt der ehemalige C-Level-Manager dann aus der Presse, dass nun ein Strafverfahren, üblicherweise wegen des Verdachtes der Untreue, gegen ihn betrieben wird. Im nächsten Schritt meldet das ehemalige Unternehmen schließlich Schadenersatzforderungen gegen den ehemaligen C-Level an, denn schließlich besteht ja der Verdacht einer Straftat. Der Geschasste sieht sich nun plötzlich gleich drei gerichtlichen Fronten gegenüber. Seiner eigenen Kündigungsschutzklage, seiner strafrechtlichen Verteidigung und der zivilrechtlichen Abwehr der gegen ihn gerichteten Schadenersatzforderung.

Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: auch C-Level-Manager haben üblicherweise keine Vorerfahrungen mit gerichtlichen Auseinandersetzungen dieser Breite und Härte. Sie stehen dem Zusammenbruch ihrer beruflichen Existenz, aufgebaut meist über Jahrzehnte und zusätzlich der potentiellen Bedrohung einer Privatinsolvenz faktisch betrieben durch den früheren Arbeitgeber fassungslos gegenüber.

Anwälte und Gerichte

Wird eine unfreundliche Trennung auf diesem Weg intoniert steht eine jahrelange Auseinandersetzung bevor. Die Verantwortlichen im Kontrollgremium können in aller Regel nicht mehr von diesem Kurs abweichen. Das käme dem Eingeständnis eines Fehlers gleich. Ein einmal als „kriminell“ gebrandmarkter Ex-Vorstand oder Geschäftsführer ist kein Mensch mehr mit dem irgendwelche Vergleiche geschlossen werden können. Es wird, koste es was es wolle, gerichtlich über alle Instanzen bis auf BGH-Ebene weitergemacht.

Derartige Mandate sind für die beauftragten Anwälte eine pure Goldader. Bei Stundensätzen von 400 Euro aufwärts bringt eine komplexe Auseinandersetzung mit einem Ex-Vorstand problemlos 500.000 Euro Honorar. Gelingt es den Mandanten auf Konfrontationskurs zu halten ist auch das Doppelte oder Dreifache rauszuholen. Dafür sind die Anwälte dann aber auch bereit bis an die Grenze des versuchten Prozessbetruges zu gehen, um noch aus dem lächerlichsten Vorwurf ein dickes Ding zu machen. Die Strategie besteht überwiegend darin das Verfahren so aufwendig wie möglich zu machen und so weit als irgend möglich in die Länge zu ziehen. Dazu gehört es auch, den ehemaligen C-Level ganz grundsätzlich als Lügner und moralisch verkommenes Subjekt in den Schriftsätzen zu charakterisieren. Diese gezielte Diffamierungskampange verfängt in den unteren Gerichtsinstanzen leider häufig. So haben Landgerichte schon als Urteilsbegründungen angeführt, dass Vorstände keinen Anspruch auf faire Verhandlung geltend machen oder überhaupt erwarten dürfen. Auch sei die gezielte Kommunikation von Gerüchten und Behauptungen über vorgebliches Fehlverhalten eines Vorstandsmitgliedes eine rechtmäßige Verfahrensweise des Unternehmens. Es müsse sich schließlich schützen. Die Interessen des Betroffenen hingegen seien nicht zu berücksichtigen. Derartige Urteilsbegründungen zu kommentieren erübrigt sich. Sie sprechen für sich selbst.

Hinzu kommt eine grundsätzliche Informationsasymmetrie zu Lasten der Managers. Während das Unternehmen den unbegrenzten Zugriff auf alle Unterlagen, Belege, E-Mails, Mitarbeiteraussagen usw. hat, ist der Betroffene vertraglich verpflichtet, alle Unterlagen mit dem Tag seines Ausscheidens abzugeben. In der Praxis verführt das dazu, dass Unternehmen und seine Prozessanwälte während der Verfahren neue Vorwürfe konstruieren können. Die behaupteten Pflichtverstöße oder Untreuevorwürfe leben dabei maßgeblich von dem gezielten Weglassen bzw. Verschweigen von Tatsachen, die den Vorwurf in sich zusammenfallen lassen würden in der Hoffnung, der Beschuldigte ist nicht in der Lage, diese Tatsachen zu beweisen.

Derartige Verfahren bringen die Betroffenen häufig bis an die Grenzen des finanziell Tragbaren. Was das eigentliche Kalkül ist.

Der Umgang mit Top-Führungskräften ist rauer geworden

Die im manager magazin berichteten Beispielfälle sind keine exotischen Ausnahmen. Leider ist sogar eine Zunahme derartiger Vorgänge zu beobachten. 

Vorstände und Geschäftsführer müssen sich bewusst sein, dass auch das komplette Scheitern ihrer Karriere und damit ihrer Berufsausübung an sich, zum Risikoprofil ihres Jobs gehört. Das Risiko steigt tendenziell in Branchen in denen die Auswahl der Mitglieder des Kontrollgremiums nach völlig anderen Logiken und Kriterien ausgewählt werden als die Top-Führungskräfte. Generell wo der Gesellschafter keinen inneren Bezug zur Kultur und Business des Unternehmens unterhält. In der Öffentlichkeit und vor der Justiz haben Organmitglieder heute mit keinem Wohlwollen mehr zu rechnen. Das Gegenteil ist der Fall. Das öffentliche Bild von Top-Managern ist von medialen Zerrbildern wie dem Tatort geprägt.

Überdurchschnittlich betroffen scheinen C-Level-Manager zu sein die bereits lang und erfolgreich für ihr Unternehmen tätig waren. Je höher die Reputation des Betroffenen zuvor war um so massiver sind die öffentlich verbreiteten Vorwürfe. Ganz offensichtlich steigt die Notwendigkeit der Schwere der Rufzerstörung je etablierter die Führungskraft war.

Die Entscheidung dafür, sich gerichtlich und kommunikativ gegen einen unberechtigten oder völlig überzogenen Rauswurf zur Wehr zu setzen, ist eine zutiefst individuelle. Eine gezielte Reputationszerstörung durch den vormaligen Abreitgeber ist in jedem Falle ein tiefer und nicht wiedergutzumachender Bruch in der Karriere. Selbst wenn es gelingt, nach Jahren, vor dem BGH letztendlich Recht zu bekommen, wird eine Fortsetzung der Laufbahn auf dem bisherigen Level nicht möglich sein. Der Aufbau einer Top-Level-Karriere erfordert harte Arbeit über einen langen Zeitraum. Auch deswegen ist die instrumentelle Zerstörung der Reputation einer langjährigen Top-Führungskraft ein im Grunde krimineller Akt.

C-Level-Führungskräfte müssen generell den/ die Vorsitzende des Kontrollgremiums immer im Blick behalten. Das gilt besonders dann wenn der Vorsitzende in seinem Sozialverhalten im Umgang mit der Top-Etage bereits auffällig geworden ist. Ein autoritäres Regime führt oder keine eigene ernstzunehmende Managerkarriere vorzuweisen hat. Gilt der Vorsitzende hingegen als schwach und opportunistisch und versteht das Businessmodell nicht sollten risikoreichere Geschäftsentscheidungen generell vermieden werden.